«Der Zug ist heute mein Büro und Speisesaal.»

07. Feb 2017

Pater Antonio Enerio SVD leitet im fünften Jahr die Philippinenmission in der deutschen Schweiz im Auftrag der Schweizer Bischofskonferenz. Der Steyler Missionar stammt selbst aus den Philippinen. Im Interview spricht er über Erfahrungen und Veränderungen seit seiner Einsetzung.

Als Sie die Stelle damals angetreten haben, mit welchen Hoffnungen und vielleicht auch Ängsten sind Sie gestartet?

Zuerst einmal habe ich mich einfach überraschen lassen. Ich hatte ehrlich gesagt nicht viel Ahnung, was mich erwartet. Mir war einfach klar, dass ich Aufbauarbeit leisten musste. Natürlich habe ich gehofft, dass ich in den verschiedenen Gemeinschaften offen aufgenommen werde und auch gute Kontakte mit den Ortspfarreien knüpfen kann. Beides ist eingetroffen und kündigte sich mit der vollen Kirche bei meiner Einsetzung an.

"Santo Nino", eine wichtigsten Feiern für die Philippinen bei dem alle Familien ihr Christkind zum Gottesdienst mitbringen und für den empfangenen Segen und die Hilfe danken. Das Fest findet am 3. Sonntag im Januar statt.
"Santo Nino", eine wichtigsten Feiern für die Philippinen bei dem alle Familien ihr Christkind zum Gottesdienst mitbringen und für den empfangenen Segen und die Hilfe danken. Das Fest findet am 3. Sonntag im Januar statt.

Sie Leiten die Philippinen-Mission jetzt schon im fünften Jahr, was hat sich seitdem verändert?

Es gab damals schon gut besuchte Gottesdienste aber darüber hinaus gab es keine Struktur. Heute hat jede Philippinen-Gemeinschaft einen Koordinator, die ich entsprechend ausgebildet habe. Mit diesen Koordinatoren treffe ich mich alle drei Monate. Damit ist der Gemeinschaftsgedanke über die einzelnen Gemeinden hinaus gewachsen und es gibt unter ihnen einen regen Austausch. Ich bin überzeugt, dass sich die Philippinen in der Schweiz heute stark als eine Mission verstehen und nicht mehr so sehr als einzelne Gemeinden.

Damit dies spürbar wird, treffen sich alle Mitglieder der Philippinen Gemeinden für spezielle Veranstaltungen bewusst an einem Ort. So haben wir dieses Jahr zum Beispiel das Fest «Santo Nino» im Januar in Sulz bei Winterthur gefeiert. Dabei haben wir grosszügig mit etwa 300 Teilnehmern gerechnet, doch gekommen sind rund 600. Das spricht für sich.

Das Pflegen der Gemeinschaft gehört mit zu den Veranstaltungen der Philippinen in der Schweiz
Das Pflegen der Gemeinschaft gehört mit zu den Veranstaltungen der Philippinen in der Schweiz

Wie würden Sie Ihr Aufgabengebiet beschreiben?

Am wichtigsten für die Philippinen sind die Gottesdienste. Da trifft sich die ganze Gemeinschaft, Kinder, Jugendliche, Erwachsene zusammen mit den Schweizer Ehepartnern. Dazu benutzen wir in der ganzen Schweiz verschiedene Kirchen. Dort sind wir jeweils zu Gast in den Ortspfarreien. 

Die Aus- und Weiterbildung der Koordinatoren liegt mir ebenfalls sehr am Herzen. Zudem treffen wir uns regelmässig zu "Bibelarbeit" mit den Leuten, damit sie die Zusammenhänge besser verstehen und im Glauben tiefer verankert werden. Denn wie überall, viele Gläubige haben nur wenig Grundlagen vom christlichen Glauben. Weiter gehe ich häufig auf Hausbesuche und es gibt einen grossen Bedarf an Gesprächen.

Und wie muss man sich das geografisch vorstellen?

Die pastorale Arbeit spielt sich in einem Dreieck zwischen St. Gallen, Thun und Basel ab. Manchmal feiere ich sogar in Genf Gottesdienst, vorwiegend Jugendgottesdienste. Das heisst, ich reise sehr viel und bin oft von morgens früh bis abends spät unterwegs. Ich fahre immer mit dem Zug, weil es bequemer ist und ich dabei noch etwas Arbeiten kann. Ich denke in den vergangenen fünf Jahren ist mir der Zug zum Büro, zum Speisesaal und manchmal auch zum Schlafzimmer geworden. Auch wenn dies manchmal anstrengend ist, macht es mir grossen Spass.

Wie sieht für Sie ein Wochenende konkret aus?

Pro Wochenende feiere ich normalerweise drei Gottesdienste und verbinde die Feiern wo möglich mit Besuchen. Damit bin ich meistens von Freitag bis Sonntag beschäftigt. Das bedeutet zum Beispiel, dass ich am Sonntag früh von Steinhausen wegfahre um morgens in Thun, am Mittag in Basel und abends in Zürich einen Gottesdienst zu feieren. Anschliessend kehre ich dann wieder nach Steinhausen zurück.

Pater Antonio Enerio beim Eröffnungsgottesdienst zum Einkehrtag Palmsonntag
Pater Antonio Enerio beim Eröffnungsgottesdienst zum Einkehrtag Palmsonntag

Sie kennen sowohl die Arbeit in einer Pfarrei, als auch die spezielle Migrantenseelsorge. Was für einen Stellenwert hat die Migrantenseelsorge für Sie innerhalb der gesamten Kirche?

Für mich ist es wichtig die Mitglieder der Philippinenmission zu ermutigen, auch in der Ortskirche mitzuwirken. Ich lege auch Wert darauf, dass unsere Leute mit ihren Anliegen bei Hochzeit, Taufe oder auch Beerdigung zuerst zum Ortspfarrer oder zur Gemeindeleitung gehen. Einige Philippinas engagieren sich zudem in den Pfarreien, so sind sie zum Beispiel Mitglieder im Pfarreirat. Somit erlebe ich ein gutes Miteinander von Migrantenseelsorge und Pfarreileben vor Ort.

Umgekehrt laden wir auch die Pfarreiangehörigen von den entsprechenden Gottesdienstorten zu unseren Feiern ein. Die Verantwortlichen der Pfarreien unterstützen dies aktiv. Wir passen dann Gottesdienste so an, dass wir beide Sprachen Deutsch und Englisch benutzen. Die Gottesdiensten halten wir meistens in Englisch, damit die Partner und Partnerinnen, welche oft Schweizer sind, auch etwas verstehen. Nur ganz selten predige ich in einer philippinischen Landessprache.

Sehen Sie darin eine gegenseitige Bereicherung?

Ja, unbedingt. Schon während meiner Tätigkeit in Baar waren dort die Migrantengemeinden sehr gut integriert. Das ist eine gegenseitige Bereicherung. Leider sind die Gottesdienste vieler Ortskirchen nur schwach besucht. Mit den Migranten besuchen mehr Leute die Messen zudem bringen sie ihre Begeisterung in Liedern und Testen zum Ausdruck, was  beide Seiten bereichert. Ich bin überzeugt, dass Migrantengemeinden auf diese Weise zu einer Erneuerung oder einer Neuevangelisierung der Gemeinden beitragen.

Pater Antonio Enerio SVD

P. Antonio Enerio

Pater Antonio Enerio studierte auf den Philippinen Mathematik, Physik, Philosophie und Theologie. Im Amazonasgebiet in Brasilien sammelte er von 1994 bis 1997 erste missionarische Erfahrungen. 2002 wurde er zum Priester geweiht, anschliessend wirkte er sechs Jahre lang als Gemeindepfarrer in Palawan auf den Philippinen. Seit 2009 lebt der Steyler Missionar im Missionshaus Maria Hilf in Steinhausen. Rund zwei Jahre wirkte er als Priester in der Pfarrei St. Martin in Baar. 2012 wurde er von Migratio mit der Philippinenmission in der Deutschschweiz betraut.

Jörg Ferkel/ as

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