Mission auf Kuba: «Vieles ist momentan ungewiss»

02. Sep 2019

P. Hans Weibel, seit 2014 als Steyler Missionar in Kuba tätig, ist auf Heimaturlaub in der Schweiz. Ein Gespräch mit ihm über die politische, kirchliche und soziale Situation auf der Karibikinsel. Am 5. September, 18 Uhr, stellt er seine Arbeit in der Marienburg in Thal vor.

Mission auf Kuba: «Vieles ist momentan ungewiss»

Hans Weibel, aufgewachsen im luzernischen Schongau, ist für ein paar Wochen zurück in der Schweiz. Vor fünf Jahren kehrte er in die Mission zurück, nachdem er schon von 1994 bis 1999 als Seelsorger im Elendsviertel der Hafenstadt Guayaquil in Ecuador tätig gewesen war. Zwischen den beiden Missionseinsätzen liegen 14 Jahre in der Schweiz, in denen er sich zum Erwachsenenbildner weiterbildete, sich um Berufungspastoral und Jugendseelsorge kümmerte und auch sechs Jahre als Provinzial den Steyler Missionaren in der Schweiz vorstand.

Schwierige Situation

Seit fünf Jahren arbeitet P. Hans Weibel, in Kuba natürlich «Padre Juan» gerufen, in der Stadt Mayarí. Sie hat rund 100'000 Einwohner(innen) und liegt im Nordosten der Insel. Die Pfarreiseelsorge und die Jugendarbeit stehen hier im Zentrum seiner Arbeit. «Es ist momentan sehr schwierig, vieles ist ungewiss», sagt er, angesprochen auf die Situation der Menschen in Kuba. Seit einem Jahr ist erstmals seit 60 Jahren kein Castro mehr Präsident. An der Macht ist nun Miguel Díaz-Canel, Schwiegersohn von Raúl Castro. Raúl Castro bleibt aber bis 2023 noch erster Sekretär der kommunistischen Partei, was das höchste Amt im Land ist. Hans Weibel zeigt sich skeptisch, ob die vom Präsidenten angekündigten Reformen, wirklich so kommen oder sich als schöne Versprechungen ohne Wirkung erweisen: «Die wirtschaftliche Situation ist immer noch schlecht. Die Leute – auch wir – wissen nicht, ob es am nächsten Morgen beim Bäcker Brot gibt. Alles ist rationiert, es gibt Essensmarken. Und die Esswaren, die die Menschen bekommen, reichen vielleicht für 10 Tage statt für den ganzen nächsten Monat.» 

Zwar habe der Präsident nach seiner Wahl sofort Russland, Vietnam und China (die Länder, bei denen Kuba am meisten Schulden hat) besucht, sei aber aus Sicht der Bevölkerung mit leeren Händen zurückgekommen. Immerhin, so Hans Weibel, habe China kürzlich Züge geliefert, die nun zwischen Havanna, Holguín und Santiago de Cuba verkehrten.

Mentalität ist geblieben

Der Minimallohn in Kuba beträgt ca. 20 Dollar im Monat, früher garantiert durch den Staat, da ja die ganze Wirtschaft verstaatlicht war. Nun soll dieser Minimallohn auf 40 Dollar angehoben werden, garantiert aber nur für Staatsangestellte in Verwaltung, Erziehung und Gesundheit. P. Weibel sieht das Problem jedoch nicht nur beim Staat, sondern genauso bei den Menschen: «Die Mentalität und Erwartung, dass alles vom Staat kommen muss, ist immer noch lebendig – obwohl es eben längst nicht mehr so ist.» Praktisch alle staatlichen Betriebe seien zusammengebrochen, seit die Sowjetunion «weg» ist. Bildungswesen und Gesundheitssystem seien grundsätzlich gut, aber: «Was nützt es, wenn ich gratis ins Spital kann, dort aber die nötigen Mittel fehlen?» Dazu komme ein weiteres, gravierendes Problem, so Hans Weibel: «Die Jugendlichen haben zwar eine relativ gute Ausbildung, aber keine Arbeitsstellen. Viele wandern daher aus. Wir versuchen sie zu motivieren, in Kuba zu bleiben und mitzuhelfen, das Land voranzubringen.»

Das Seelsorge-Team in Mayarí sei mittendrin in dieser Situation, erzählt P. Weibel:  «Wenn die Leute am Morgen kommen, dann gibt es immer zwei Themen: Krankheiten und Ernährung, also konkret die Frage: Wo finden wir etwas zu essen?» Viele Menschen hätten immerhin ein paar Hühner, und die Eier gelten als «salva vida», also Lebensretter. Eigeninitiative gebe es selten, und wenn es doch Bauern gebe, die mehr anpflanzten als sie selbst brauchen, dann werde das vom Staat noch konfisziert. Unternehmertum ist nur in ganz wenigen Branchen unter strengen Auflagen möglich, zum Beispiel mit einem Schuhgeschäft, einem kleinen Restaurant oder Kleidergeschäft.  

Schwerpunkt «Gemeinde aufbauen»

60 Prozent der Bevölkerung sind hier «auf dem Papier» katholisch und die katholische Verankerung ist noch da, obwohl Kuba ja früher ein atheistischer Staat war. Inzwischen steht die Religionsfreiheit in der Verfassung, und viele Menschen praktizieren ihren Glauben wieder in der Gemeinschaft. In der grossen «Steyler» Gemeinde sind nur zwei Priester und vier Schwestern tätig, so dass sie auf die Unterstützung von Gemeindeleitern in den Aussenstationen und viele freiwillig Engagierte angewiesen sind. Rund 40 Leute helfen in der Leitung der Gemeinde mit, wo es neben der Seelsorge vor allem um Weiterbildung und Bewusstseinsbildung geht. Gleichzeitig gibt es zwei Caritas-Küchen in der Pfarrei, wo die Ärmsten ein- bis zweimal pro Woche verpflegt werden.

So werden auch die Sekretärin und die Sakristanin der Pfarrei zu Seelsorgenden: «Die  Leute kommen einfach und erzählen von ihren Sorgen. Sie schätzen es sehr, dass ihnen einfach mal jemand zuhört», sagt Pater Weibel und betont, wie wichtig diese «Hör-Seelsorge» sei.  Vor fünf Jahren seien sie als Priester noch zu viert gewesen: «Da hatte ich noch Zeit für mehr Besuche.» Der Schwerpunkt der Arbeit ist «Gemeinde aufbauen» – und dazu gehören alle: «Hier sind wir gut unterwegs». Die Besuche von drei Päpsten (Johannes Paul, Benedikt und jetzt Franziskus) habe die ganze Bevölkerung gestärkt, aber auch die Glaubenspraxis positiv beeinflusst, findet Hans Weibel. In den Kirchen, die während der kommunistischen Zeit stehenblieben, darf man heute wieder Kerzen anzünden und Eucharistie feiern. Beliebt sind Taufen, während kaum jemand kirchlich heiratet.

Ohne den Staat geht’s nicht

Heute werden sogar wieder neue Kirchen gebaut: P. Weibel weiss von drei Projekten im Vikariat, wo die Steyler tätig sind – eine der Kirchen wird schon bald fertig sein, obwohl es schwierig sei, das Baumaterial zu beschaffen. Schulen dagegen bauen und betreuen die Steyler und andere Kirchen (insbesondere Freikirchen aus den USA sind sehr aktiv) nicht: Erziehung ist und bleibt in Kuba ausschliesslich staatliche Aufgabe. Aber auch bei kirchlichen Vorhaben ist man auf den Staat angewiesen, wie Hans Weibel an einem konkreten Beispiel erläutert: «Die Marienverehrung ist hier ziemlich stark. In unserer Pfarrei gibt es einen bekannten Marien-Wallfahrtsort, dessen Infrastruktur wir ausbauen möchten. Hier brauchen wir die Unterstützung des Staats, zum Beispiel für Strassen – eine Aufgabe für den Bischof und seine Ansprechperson in der Regierung.

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