Ein ganzes Missionarsleben in Chile

28. Mär 2019

Der Schweizer P. Armand Schnydrig ist seit 1976 in Chile tätig. Von 2011 bis 2017 leitete er als Rektor das Colegio del Verbo Divino in Santiago. Heute ist er immer noch in einer Pfarre in Santiago de Chile tätig.

Ein ganzes Missionarsleben in Chile

Bei seinem letzten Heimatbesuch haben wir uns mit P. Schnydrig, 1944 in Unterbäch im Wallis geboren, über seine heutige Tätigkeit und die Situation in Chile unterhalten. «Die Unterschiede zwischen Armen und Reichen ist nach wie vor gross», hält er zu Beginn unseres Gesprächs fest und verweist darauf, dass viele Menschen aus Peru, Kolumbien, Bolivien, Venezuela und Haiti einwandern. Die Migrationsfrage ist also wichtig und provoziert – ähnlich wie in Europa – Angst.

Gewalt im Alltag

Die häufig durch Drogenhandel und Drogenkonsum verursachte Gewalt (Chile ist gemäss P. Schnydrig eine Art Durchgangsland zwischen Kolumbien und Europa) ist auch hier stark gestiegen: «In meiner Nachbarpfarrei gibt es viele Drogen- und Gewaltdelikte, Schiessereien sind an der Tagesordnung», erzählt Schnydrig. «Auch in unserer Pfarrei müssen wir uns immer mehr darum kümmern. Das Thema wird zwar totgeschwiegen, die Familien leiden aber sehr darunter.» 

In der Heiliggeist-Pfarrei («Parroquia del Espiritu Santo») San Joaquín in Santiago, wo er heute tätig ist, wohnen Menschen aus dem Mittelstand genauso wie ärmere Schichten. Die von den Steyler Missionaren geführte Pfarrei – neben P. Schnydrig sind ein chilenischer, ein deutscher und ein indonesischer Mitbruder hier tätig – umfasst 30’00 Einwohner und hat neben der Hauptkirche noch vier Kapellen, in denen Gottesdienste gefeiert werden.

Hier ist Schnydrig seit etwas mehr als anderthalb Jahren tätig, vorher leitete er 6 Jahre lang das Colegio del Verbo Divino mit Klassen vom Kindergarten bis zur Matura mit 2000 Schülerinnen und Schülern. In Chile wirkt er seit 1976, unter anderem war er auch 6 Jahre Provinzial. Heute gehören zur Provinz rund 75 Steyler aus gegen 20 Nationen.

Chile statt Schweiz

Ursprünglich war Armand Schnydrig, wie er schmunzelnd erzählt, für die Schweizer Provinz vorgesehen. Nach der Mittelschule in der Marienburg und an der Klosterschule sowie dem Studium in St.Gabriel hätte er Französisch studieren sollen und wäre dann «automatisch ein Leben lang in der Schule geblieben». Ihn zog es aber eher nach Paraguay oder Mexiko, und auch Ghana hatte er als Wunschdestination genannt. Das Generalat wollte dann aber eine grössere Gruppe nach Chile schicken, so dass Armand Schnydrig («Von Chile wusste ich nicht viel») nach vier Jahren als Lehrer und Präfekt in der Marienburg in Rheineck 1976 (wo er in der Burgmusik auch Posauen spielte) nach Chile kam, wo noch über 10 Jahre die Militärdiktatur von Pinochet herrschen sollte. 

«Das war eine sehr schwierige Zeit, auch für die Kirche», erinnert er sich: «Wir wurden bespitzelt, auch beim Predigen. Bei den Protestkundgebungen gegen Folter waren wir teilweise dabei, als Vertretern der Kirche ist uns zwar nichts passiert, aber unmittelbar nach dem Putsch waren auch Priester umgekommen.» Aus seiner Sicht habe sich die Kirche in dieser Zeit sehr für die Verfolgten engagiert und vieles registriert, so dass es nach dem Ende der Diktatur aufgearbeitet werden konnte.

Fruchtbare Zeit bei den Mapuche

Auf seine lange Zeit und die verschiedenen Stationen seines Missionarslebens angesprochen, sagt Schnydrig: «Besonders gefallen hat mir die Zeit bei den Mapuche im Süden des Landes. Das war eine fruchtbare Zeit, in der uns ein Anthropologe, selbst als Steyler Missionar in Paraguay tätig, in der Indianer-Pastoral begleitet hat.» Mit seiner Unverstützung gelang es, die Mapuche-Kultur und ihre Autoritäten in die missionarische Arbeit einzubeziehen. Man habe die Autoritäten dieses indigenen Volks akzeptiert und auch ihre besonderen Gottesdienste mitgefeiert. Daneben sei es aber vor allem darum gegangen, für elementare Bedürfnisse wie Wasser und Gesundheit zu sorgen. Schnydrig: «Das war eine schöne Zeit, man hat gemerkt, dass man etwas erreichen kann und die Menschen vorwärtsbringt. Sie hatten zwar eine eigene Religion, es gab unter ihnen auch schon Christen. Von Haus aus sind sie sehr religiös und mit der Natur verbunden.» Interessant sei ihre Gottesvorstellung, in der es neben Gottvater auch Gottmutter, Gottsohn und Gott-Tochter gebe. 

Heute, viele Jahre später, gibt es Konflikte zwischen dem Staat und den Mapuche (das Wort bedeutet «Menschen der Erde»), die nach mehr Eigenständigkeit streben. Sie hatten sich das Land zwischen Los Angeles und Portamon von den Spanieren zurückgeholt, wurden später aber in Reservate zurückgedrängt und bekamen nur wenig Land. Leider, so Armand Schnydrig, wolle man das Thema bis heute eher polizeilich als politisch lösen.

Im Einsatz für die Jugend

Die Zeit als Rektor am Colegio del Verbo Divino kommentiert er ebenfalls positiv:  «Das Schöne im Kollegium war die Jugend, mit der wir auch viele soziale Projekte machen konnten.» So habe man mit Unterstützung von deren Eltern Menschen, die auf der Strasse leben, Nahrung geben, in Armenvierteln Wohnungen bauen und dort Kinder betreuen können. Viele der Jugendlichen in der Schule kamen «aus besserem Haus» und halfen mit, auf dem Land zu evangelisieren und dort selbst zu lernen, wie man mit wenig zurechtkommen kann: «Wir wollten sie für die Armut sensibilisieren, damit sie lernen, worum sie sich später kümmern können.» 

Heute wirkt Schnydrig in der Pfarrei und hilft in Solidaritätsgruppen mit, die sich etwa um ein halbes Dutzend Kinderheime kümmern. Hier kann er auch die finanziellen Mittel einsetzen, die ihm Wohltäterinnen und Wohltäter immer wieder zukommen lassen: ehemalige Schüler genauso wie Hilfswerke und Missionsprokuren aus Europa. Für die Kirche ist es in Chile im Moment allerdings ziemlich schwierig: Nicht nur die Säkularisierung macht ihr zu schaffen, sondern vor allem die Missbrauchsaffären, deren Nicht-Bewältigung weltweit Schlagzeilen gemacht hat: «Viele Leute sind von der Kirche tief enttäuscht, und wir müssen zuerst wieder Vertrauen herstellen.» Besonders engagiert sich Armand Schnydrig heute für Drogenabhängige, wo er bei den «Narcoticos Anonimos» (eine ähnliche Organisation wie «Anonyme Alkoholiker», ausgerichtet auf Drogensüchtige) Menschen betreut.


(Bildlegende)

Seit über 40 Jahren in Chile als Steyler tätig: P. Armand Schnydrig (Foto Monika Slouk)

 

Roger Tinner

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