P. Julipros: Wie ein Missionar aus den Philippinen den Kanton Zug erlebt

09. Jun 2020

Vor sieben Jahren kam der Filipino Pater Julipros nach einer mehrjäh­rigen Missionstätigkeit in Brasilien in die Schweiz. Im Interview mit dem Pfarreiblatt Zug erzählt er, wie er umdenken und Mission neu definieren musste.

P. Julipros: Wie ein Missionar aus den Philippinen den Kanton Zug erlebt

Pater Julipros, unmittelbar nach Ihrer Priesterweihe wurden Sie nach Brasilien geschickt. Was führte Sie 2013 in die Schweiz? 

Im Jahr 2012 erhielt ich eine Einladung, die Missionsarbeit in der Schweiz speziell im Be­reich der Migrantenseelsorge zu unterstüt­zen. 2013 wurde ich offiziell in die Schweizer Provinz der Steyler Missionare versetzt. 

Welche Erwartungen hatten Sie, als Sie in die Schweiz kamen? 

Während meiner priesterlich-religiösen Aus­bildung habe ich gelernt, nicht zu viel zu er­warten, weil es manchmal zu Frustrationen führt. Als ich meine Bestimmung für Brasilien oder die Schweiz erhielt, fand ich es wichtiger, offen und bereit zu sein, JA zu den Überra­schungen zu sagen, die Gott dort vorbereitet hatte. 

Worin bestanden hier Ihre ersten Arbei­ten? 

Gleichzeitig mit meinem Studium der deut­chen Sprache half ich in den elf philippini- sehen katholischen Gemeinschaften unter der Philippinisch-Katholischen Mission in der deutschsprachigen Schweiz. Den Filipinos zu dienen, war für mich eine grosse Heraus­forderung, insbesondere im Hinblick auf meine Beherrschung der deutschen Sprache. Es gab keine Gelegenheit, Deutsch zu sprechen oder zu üben, da unsere Eucharistiefeiern in Englisch, Tagalog oder anderen philippini­schen Dialekten stattfanden. Deshalb hielt es meine Ordensgemeinschaft für besser, mich einer Schweizer Pfarrei zuzuordnen. Im Juni 2017 wurde ich als Praktikant in der Pfarrei Heilig Geist in Hünenberg aufgenommen und seit August 2019 bin ich Kaplan in der Pfarrei Oberägeri und zuständig für die Priesterlichen Dienste in den Pfarreien Neuheim und Menzingen. 

Was ist für Sie Missionstätigkeit? 

Meine 12-jährige Missionstätigkeit in Brasili­en konzentrierte sich auf den Aufbau kirchli­cher Gemeinschaften, humanitäre Hilfe, die soziale Unterstützung bedürftiger Menschen und die praktische Arbeit mit der Bibel. Hier in der Schweiz sieht die Realität anders aus und beinhaltet einen anderen Ansatz für die Missionstätigkeit. 

Was meinen Sie damit? 

Ich würde die Schweiz als säkularisiert, mul­tikulturell, pluralistisch, postmodern und postchristlich beschreiben. Diese sich verän­dernden Realitäten schaffen eine Kluft zwi­schen der Kirche mit ihren Lehren und dem «wirklichen Leben» der Menschen. Ich spürte, dass die Kirche ihre Ausstrahlung auf die Menschen hier verloren hatte. Auf der ande­ren Seite gibt es immer noch den «Hunger nach spirituellen Werten». Es gibt immer noch viele, die weiterhin nach dem Sinn des Lebens suchen, und die umfassende Frage nach der Zukunft wird von verschiedenen Gruppen gestellt. Ich glaube, dass das Wesen der Missionstätigkeit gleich bleibt: zu evange­lisieren, das Reich Gottes zu verkünden und über Jesus und sein Gebot der Liebe zu spre­chen. Als ich diese Realitäten sah, fragte ich mich: Bin ich bereit, ein kreativer Missionar zu sein in dem sich verändernden und heraus­fordernden Szenario der Schweiz? 

Offenbar sind Sie bereit dazu! 

Ja. Als mir bewusst wurde, dass die Zahl der Menschen ohne Religionszugehörigkeit ständig wächst, musste ich unsere Tätigkeit auf die primäre und neue Evangelisierung konzentrieren. Es ist eine Herausforderung, Menschen zu treffen und mit ihnen in Dialog zu treten, die nicht oder nicht mehr zur kirch­lichen Gemeinschaft gehören. Es ist sehr wichtig anzumerken, dass viele Schweizer die christlichen Werte in die Praxis umsetzen, obwohl sie ihre Religion nicht mehr prakti­zieren. 

Eine weitere wichtige Missionstätigkeit be­trifft den kirchlichen Dienst für Familien und den pastoralen Dienst mit den Jugendlichen. Ein Dienst, der sich auf Bildung und Gewis­senhaftigkeit in Bezug auf christliche Famili­enwerte konzentriert und liturgische, kate­chetische und biblische Aktivitäten für Kinder und Jugendliche schafft, die ihren Eltern und Verwandten helfen können, an kirchlichen Aktivitäten teilzunehmen. 

Der Zustrom von Migranten und Flüchtlin­gen ist ein weiteres Phänomen, das bei der Mission hier in der Schweiz berücksichtigt werden muss. Menschen aus anderen Konti­nenten, die vor Armut, Krieg und Verfolgung fliehen und nach Europa wollen, um nach ei­nem sichereren Ort zum Leben und ihrem Glück zu suchen. Es braucht einen Dienst, der auch Seelsorge für diese Migranten und Flüchtlinge sein kann, um sie sowohl in ihren vielfältigen Bedürfnissen zu unterstützen als auch spirituell zu begleiten und ihnen zu hel­fen, sich in die örtliche Kirche zu integrieren. 

Haben Sie besonders schöne Erfahrungen gemacht? ... und schwierige? 

Eine der vielen Freuden, die ich hier in der Schweiz erlebt habe, ist die Akzeptanz, die Schweizerinnen und Schweizer einem Missio­nar aus einem anderen Kontinent entgegen­bringen. Die Kirchgänger waren so dankbar für meine Präsenz und sie haben grosse Ge­duld mit mir in Bezug auf meine deutsche Sprache. Es ist auch eine Herausforderung, mich an die Namen meiner Mitarbeiter in diesen Gemeinden zu erinnern. Zudem gibt es einen Kampf tief in mir in Bezug auf Paradig­menwechsel. Ich muss meine «fertigen Bilder von Gott und meine vorher festgelegten Kon­zepte» hinterfragen, damit ich die Menschen kreativ pastoral begleiten kann. 

Früher zogen Missionare aus Europa nach Asien, heute arbeiten Sie als asiati­scher Missionar in Europa. Wie fühlt sich das an? 

Die Philippinen wurden vor 500 Jahren von den spanischen Missionaren evangelisiert. Die ersten deutschen Steyler Missionare ka­men 1909 an. Sie bauten Missionsschulen, Krankenhäuser, Kirchen und haben in der Sozialarbeit Grosses geleistet. 1990 erkannten die Steyler Missionare, dass Europa eine neue soziale, kulturelle und religiöse Komposition hatte, die die Kirche vor enorme Herausforde­rungen stellte. Sie sahen die sich verändernde Realität Europas und die Notwendigkeit, Europa als Missionskontinent anzuerkennen. So verwandelt sich Europa von einer «senden­den» in eine «empfangende» Zone. 

Als Filipino hierher in die Schweiz zu kom­men, um missionarisch zu wirken, ist ein Privileg und eine Chance, etwas von dem zurückzugeben, was die europäischen Missio­nare uns gegeben haben. Ich habe nicht die Mittel, um Missionsschulen, Krankenhäuser und Kirchen zu bauen, aber ich bin bereit, all meine Kräfte und Talente dafür einzusetzen, den christlichen Glauben in der Schweiz zu stärken und die Kirche zu erneuern. 

Zur Person

Julipros Dolotallas wurde am 21. Mai 1971 auf der Insel Bohol im südlichen Teil des philippinischen Archipels geboren. Als jüngs­tes von sieben Kindern erhielt er den Namen Julipros, eine Kombination aus dem Namen seiner Mutter JULiana und dem Namen sei­nes Vaters PROSceso. Siebzehnjährig trat er in das Priesterseminar der Steyler Missionare ein. Am 21. Mai 2000 legte er seine ewigen Gelübde ab und wurde im Dezember dessel­ben Jahres zum Priester geweiht. 

Interview: Marianne Bolt, erschienen im Pfarreiblatt des Kantons Zug, Nr. 23/24/2020


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