Hochfest der heiligen Dreifaltigkeit (C)

Predigtimpuls

In Gott verankert

1. Lesung: Spr 8,22-31
2. Lesung: Röm 5,1-5
Evangelium: Joh 16,12-15
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Sind eigentlich alle Probleme des Menschen gelöst, wenn er gut, ja, sogar bestens versorgt ist? Ist es nicht großartig, wenn es wie in unserem Land Servicestationen für alle Lebenslagen und Eventualitäten gibt? Mensch, was willst du mehr? Von irgendwoher wirst du immer versorgt. Mensch, wenn du stürzt, wenn du abstürzt, keine Sorge. Unter dir spannt sich ein gigantisches Versorgungsnetz, das dich immer auffängt. Gut, eine Sorge bleibt. Wird es möglich sein, dieses gigantische Versorgungsnetz immer zu spannen? Daran darf man halt nicht denken. Der am besten versorgte Mensch kann jedoch ein sehr armer Mensch sein, wenn er keinen / anderen Menschen hat, der ihn ernst nimmt. Ich will nicht irgendetwas zugesteckt haben, wenn ich einen Menschen brauche. Wenn ich einen Menschen brauche, dann brauche ich einen, der mir mit seinen menschlichen Fähigkeiten des Zuhörens, des Stützens, des Ratgebens beisteht. Dann brauche ich keinen, der mir sagt: „Da hast du fünf Mark, kauf dir was!“
Der Mensch muss nicht unbedingt perfekt versorgt sein, er will ernstgenommen sein, er will den Mitmenschen, er will Geborgenheit von Mensch zu Mensch. Der Zuhörer kann durchaus rettender sein als der Geldgeber und der Organisator. Die beste Organisation kann eine anonyme, eiskalte Sache sein. Der Mensch ist angefragt, nicht der Funktionär oder gar der Apparatschik.
Eben das ist der Weg, den Jesus gegangen ist, bei dem wir in der größten Bedrängnis letzte Geborgenheit finden können, gerade weil er uns nicht irgendwas in die Hand drückt, sondern weil er selber für uns da ist, und zwar für immer.
Wir haben durch Jesus Christus Zugang zu der Gnade gefunden, in der wir stehen. Was sagt uns das? In der Gnade Gottes stehen, das heißt, Gott schenkt uns seine Sympathie. Er schenkt sie uns grundsätzlich, ohne Ansehen der Person. Das ist nicht nur ein Gefühl oder gar eine Einbildung unsererseits. Die Sympathie Gottes zum Menschen ist Gestalt geworden in Jesus Christus, und der steht an unserer Seite. Gott sorgt sich also um den Menschen. Der Vater im Himmel zeigt uns sein Wohlwollen durch seinen Sohn, der einer von uns geworden ist, in allem uns gleich, außer der Sünde. Jesus ist also ein Mensch, der immer im Frieden mit Gott geblieben ist. Darum hat er auch Frieden zwischen Gott und den Menschen stiften können. Das Schlimmste, was den Menschen treffen kann, ist der Unfriede mit Gott. Das ist das Wesen der Sünde! Der Sünder hat keinen Frieden mit Gott. Er hat auch keinen Frieden mit sich selbst, und das scheint nahezu ein Kennzeichen des modernen Menschen geworden zu sein.
Ein Mensch, dem Sünde nichts bedeutet, der sich jedes Gespür für Sünde abgebeutelt hat, weil er meint, so bequemer leben zu können, der weiß auch nicht mehr darum, was Frieden mit Gott ist. Er weiß es unter Umständen so lange nicht mehr, bis ihm-aus welchen Gründen auch immer-das Wasser bis zum Halse steht. Kein Mensch aber kann dauernd in der Situation leben, dass ihm das Wasser bis zum Halse steht. Eine Zeitlang mögen ja markige Sprüche helfen: „Kopf hoch, wenn der Hals auch dreckig ist!“ Aber der Punkt, an dem er zu schreien anfängt, kommt, öder die Verzweiflung macht ihn stumm. Was dann, wenn er in einer solchen Lage nicht nach Gott schreien könnte?
Gnade, d. h. auch, dass Gott für den Menschen da ist, wann immer er nach ihm schreit. Gott entzieht auch dem seine Sympathie nicht, der im Unfrieden mit ihm ist. Gerade der Sünder wegen ist der Sohn Gottes Mensch geworden. Es gibt keine größere Freude für Gott als über einen Menschen, der Frieden mit Gott macht, der den Frieden annimmt, den Gott ihm schenken will, der wieder ganz und gar in der Gnade Gottes stehen will. Und hier wird das Wort von der Sympathie Gottes zum Menschen zu schwach. Gott hat sich um den Menschen geschunden, denken wir an den Gekreuzigten, weil er ihn liebt. Für einen, den man liebt, gibt man alles, auch das Leben. Mit diesem – wagen wir es ruhig zu sagen – „lieben“ Gott Gemeinschalt haben zu können, das ist Gnade. Wie immer einem Menschen das Wasser bis zum Halse stehen mag, es kann für ihn keine größere Hoffnung geben als die: Gott lässt mich nicht aus!
Gnade ist auch dieses: Gott glaubt an den Menschen, er glaubt unerschütterlich an ihn, denn er hat ihn nie aufgegeben. Das hat er gezeigt. Muss das für uns nicht eine ganz enorme Konsequenz haben? Wenn Gott an mich glaubt, wie kann ich selber dann nicht an mich glauben? Gott gibt uns nicht auf, warum sollten wir uns aufgeben? Wir müssen uns neu klarmachen, dass wir grundsätzlich keine Aufgegebenen sind.
Wenn aber nicht aufgegeben, dann haben wir Zukunft. Doch ist es notwendig zu erkennen, wir haben zuerst Zukunft durch Gott. Das ist Glaube, zugegeben. Aber der müsste in unserer Zeit zum unterscheidenden Merkmal des Christen gegenüber den „Berufsweinern“ werden. In der Kraft des Glaubens mit Zuversicht in dieser Welt leben. Wenn das nicht zur sträflichen Traumtänzerei werden soll, dann braucht der Mensch einen festen Punkt im Leben. Der Mensch kann nicht sein eigener fester Punkt, sein eigener Ankerplatz sein, denn er kann sich nicht an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen. Wir brauchen die Möglichkeit, uns außerhalb der eigenen Person verankern zu können. Und dieser Ankerplatz ist ohne den Glauben nicht zu finden, denn er heißt Gott. Wenn wir uns bei Gott verankern, dann haben wir einen unverrückbaren Grund.
So kann ich ein hoffnungsvoller Mensch sein, auch wenn Zweifel kommen. Geht das wirklich alles so glatt?
Was geht eigentlich glatt im Leben? Viele Menschen, vermutlich eine ganze Generation, müssen neu lernen, dass das Leben kein stoßfreies Dahingleiten auf einer Schiene ist. Vor jedem liegt das, was man den Lebenskampf nennt. Nehmen wir endlich Abschied vom Paradies auf Erden. Unser Leben wird nie frei sein von Bedrängnis, denn es ist eine Herausforderung an uns. Ihr kann der Mensch mit seinen Kräften und Fähigkeiten begegnen, und er kann sie bewältigen. Die Bedrängnisse können nur von den Menschen selbst in Geduld aufgearbeitet werden. Und der betroffene muss mit Hand anlegen. Wie wollen wir eigentlich weiterkommen, wenn immer mehr nach der Devise gehandelt wird: „Gut geweint ist halb versorgt!“ Wer anderen Menschen fragt zur Bewältigung seiner Bedrängnisse, der muss auch sich selber anfragen lassen gegenüber den anderen.
Jesus ist am Kreuz gestorben, um den Willen des sich um uns sorgenden Gottes zu erfüllen. Die Erlösung hat stattgefunden. Wenn vieles so arg geworden ist, dann kann das doch nur daran liegen, dass der Geist Gottes bei den Menschen zunehmend unter die Räder gekommen ist. Das ist, wie wir sehen, nicht gut. Man kann nicht einerseits auf den Geist Gottes pfeifen und andererseits dauernd darüber jammern, dass wir keine Zukunft haben, ohne Hoffnung leben müssen. Wenn Gott den Menschen ernst nimmt, dann ist eine Entsprechung fällig. Der Mensch sollte Gott ernst nehmen. Oder nimmt am Ende der Mensch sich selber schon nicht mehr ernst? Jesus Christus hat uns die Fülle des Lebens zugesagt am Ziel unseres Lebenskampfes. Das Leben ist keine bequeme Tour. Wer es als solche ansieht, wird nicht nur erschrecken, er wird bald keine Hoffnung mehr haben. Das Entscheidende ist nicht, dass alles bestens funktioniert. Entscheidend ist das Wissen darum, dass Gott uns ernst nimmt und sich um uns sorgt. Entscheidend ist auch, dass wir einander erst nehmen und uns umeinander sorgen. Menschen wollen nicht funktionieren, sondern leben. Wagen wir es, in der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes zu leben.

[Anmerkung der Redaktion: Die von Pfr. Mucha verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1998; S. 229ff]

Klaus Mucha, Pfarrer

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