30. Sonntag im Jahreskreis (C) – Weltmissionssonntag

Predigtimpuls

„Bei ihm gibt es keine Begünstigung“ (Sir 35,15b)

1. Lesung: Sir 35,15b-17.20-22a
2. Lesung: 2Tim 4,6-8.16-18
Evangelium: Lk 18,9-14

Nach einer Erzählung von Daniel Triller fragte der Mond vorwurfsvoll die Sonne: Wachs, dann schmilzt es. Triffst du auf Ton, wird er hart und spröde. Du bleichst die Leinwand und bräunst die Haut der Menschen.“ Die Sonne gab zur Antwort: „Das liegt an den Dingen, auf die mein Strahl fällt. Wie sie veranlagt sind, mache ich hartes Wachs weich. Den weichen Ton spröde, das Leinen weiß und weiße Haut braun. Warum tadelst du mich? An dieses Gleichnis dachte ich, als ich die liturgischen Texte des heutigen Sonntags las. Das Gebet des Pharisäers und des Zöllners kommen aus ganz verschiedener Grundhaltung heraus; darum lehnt Gott das Gebet des Pharisäers ab, das Gebet des Zöllners aber, der gar nichts von sich selber hält, nimmt er an; beide mögen verwundert sein über der Reaktion Gottes. Einen ähnlichen Kontrast finden wir in der ersten Lesung. Da werden ,,das Schreien der Elenden“ und die Selbstsicherheit derer, die etwas auf die Seite derer zu stellen, die Einfluss haben, die in der Gesellschaft etwas bedeuten, die reich sind. Wie leicht ergreift man für sie Partei! Bei Gott gibt das nicht. Bei Gott gibt es keine „Begünstigung“; er ist ja der gerechte Gott.

Das Schreien der Elenden
Die undifferenzierte Verwendung des Begriffs „neue Armut“ in unseren Breite sollte uns nicht dazu verführen, das Problem der Armut im allgemeinen und auf Weltebene zu verharmlosen. Es ist wahr, auch hierzulande gibt es Menschen, die Langzeitarbeitslose, Sozialhilfeempfänger, geschiedene Frauen (mit Kindern), bei denen die Unterhaltszahlung ausbleibt, nicht verheiratete Frauen mit Kindern, Jugendliebe, die den Einstieg in den Arbeitsmarkt verpassen, Menschen ohne rechte Berufsausbildung, Leute, die in vorgerücktem Alter ihren Arbeitsplatz verlieren. Sie alle leiden unter der Armut, und dies um so mehr, da Menschen ihrer Umgebung sich ungefähr alles erlauben können.
Schlimmer als in Deutschland aber sieht es in anderen Teilen der Welt aus. Fast wie eine Routinemeldung nehmen wir es auf, dass über eine Milliarde Menschen unter dem Existenzminimum leben, dass täglich vierzigtausend Kinder an Unterernährung und mangelhafter medizinischer Betreuung sterben, dass die Weltschuldenkrise, Preisschwankungen, ökologischer Raubbau, ungeplantes Anwachsen der Bevölkerung gerade in den ärmsten Ländern, Desinteresse der Industrieländer, Missbrauch von Entwicklungshilfen das Übel nur vergrößern. Das Flehen der Armen dringt durch die Wolken“, sagt der weise Sirach in der Epistel. Wenn Jahwe ein „Gott des Rechts“ d. h. des gerechten Ausgleichs, ist, sollte uns das zu denken geben.

Gefährliche Selbstzufriedenheit
Dem Pharisäer des Evangeliums war es ehrlich, wenn er betete: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die übrigen Menschen.“ Das Urteil Jesu ist vernichtend: Dieser Mann ging ungerechtfertigt nach Hause! Die Päpste des letzten Jahrhunderts forderten immer wieder und mit großer Nachdrücklichkeit weltweite Solidarität, Abbau gesellschaftlicher Ungleichgewichte, Beseitigung der „Strukturen der Sünde“, die Bildung „neuer Allianzen der Solidarität“, politischen, wirtschaftlichen und technologischen Austausch. Den Aufbau einer internationalen gerechten Wirtschaft. Sie beschränkten sich keineswegs auf die Anmahnung materieller Entwicklungshilfe und wirtschaftlichen Wachstums der armen Völker, sondern verlangen viel mehr. Johannes Paul II. schrieb in der Enzyklika Sollicitudo rei socialis: „Wenn Einzelmenschen und Gemeinschaften nicht die moralischen, kulturellen und geistigen Erfordernisse gewissenhaft respektiert sehen, die auf der Würde der Person und auf der eigenen Identität einer jeden Gemeinschaft, angefangen bei der Familie und den religiösen Gesellschafen, gründen, dann wird sich alles übrige ( … ) als ungenügend und langfristig als verachtenswert erweisen.“ Das sind harte Worte, aber drängt sich ein solches Urteil angesichts der gegenwärtigen Weltsituation nicht zwangsläufig auf? Nicht von ungefähr erscholl der Schrei nach „Befreiung“ zunächst in Lateinamerika, wo Armut, Ausbeutung und Ungerechtigkeit besonders spürbar waren, er löste aber ein weltweites Echo aus. Die Menschheit hat einen Reifestand erreicht, dass sie die Klassifizierung: hier Habende, dort Habenichtse, nicht mehr verträgt. Und Gott verträgt sie noch weniger. Es zeugt von wacher Sensibilität, wenn sich die Kirche die in Puebla thematisierte „vorrangige und solidarische Option für die Armen“ zu eigen machte, sie theologisch und spirituell vertiefte und zum festen Bestandteil christlicher Ethik erklärte. Es hört sich wie eine Drohung an, wenn Jesus Sirach in der Epistel sagt: Das Flehen der Armen ruht nicht, bis es am Ziel ist: „Es weicht nicht, bis Gott eingreift und Recht schaff als gerechter Richter“ (22a).

Gott macht „das harte Wachs weich“
So wie die Sonne werden Gottes Liebe und Gerechtigkeit weiter leuchten bis ans Ende der Zeiten. Gott, der gerechte und barmherzige Herr, wird die Sonne scheinen lassen über Gerechte und Ungerechte. Dass sie bei den einzelnen Menschen verschiedene Wirkungen erzielt, liegt auf der Seite der Menschen. Wir können es nicht erklären, dass die Sonne den Wachs weich, den Ton aber hart macht, dass sie die Leinwand weiß und unsere Haut braun werden lässt. Genauso geheimnisvoll ist Gottes Einwirken auf die Herzen der Menschen. Selbstverständlich will er, dass wir einsichtig sind. Selbstverständlich will er, dass Armen sehen und ihre Schreie hören. Warum aber geschieht das nicht? Vielleicht, weil sich eine Wolke zwischen Gott und uns schiebt, so dass sein Licht uns nicht erreicht; vielleicht, weil wir hartnäckig seiner Lichteinwirkung widerstehen; vielleicht, weil unser Egoismus das Herz so sehr verhärtet hat, dass Gott machtlos uns gegenüber ist. Er wird in dem Maße machtlos, in dem wir unsere Freiheit verabsolutieren und uns – fast wie einen anderen Gott! – an seine Stelle setzen und seine Geschöpfe herzlos und brutal für unsere eigenen Zwecke missbrauchen. Fürwahr, es ist dies ein schlimmerer Götzendienst, als wenn ein schlichter und ungebildeter Mensch einen Fetisch verehrt und ihm sein Vertrauen schenkt.
Es sind ernste Gedanken. Die uns die Liturgie heute nahelegt, doch sollten wir uns deswegen nicht betrüben. Der normale Besucher des Sonntagsgottesdienstes steht ja auf der Seite derer, von denen der heutige Zwischengesang sagt: „Nahe ist der Herr den gebrochenen Herzen. Hilft denen auf, die zerknirscht sind. Der Herr erlöst seine Knechte: straflos bleibt. Wer bei ihm sich birgt.“

P. Dr. Karl Müller SVD

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