Hochfest des Leibes und Blutes Christi – Fronleichnam

Predigtimpuls

Auf die Menschen uns einlassen, die uns begegnen

1. Lesung: Dtn 8,2-3.14b-16a
2. Lesung: 1Kor 10,16-17
Sequenz
Evangelium: Joh 6,51-58

„Wer hat Angst vorm bösen Brot?“ – Auf diese Überschrift bin ich vor kurzem im Internet gestoßen. Ich habe mich zwar inzwischen daran gewöhnt, dass immer wieder „Brot“ ein Thema bei gemeinsamen Essen oder Diskussionen über Essen ist, genauer gesagt, ist es die Rede vom Verzicht auf Brot im Interesse der Gesundheit. Dafür kann ich sogar Verständnis haben. Aber „Angst vor dem bösen Brot“ – da hört es mit dem Verständnis doch auf. Das hängt sicher damit zusammen, dass Brot für mich mehr ist als eine – nebenbei bemerkt für mich durchaus wohlschmeckende – Zufuhr von Kohlenhydraten, sondern Bild für alles Lebensnotwendige.
Schon vor mehr als 2000 Jahren haben das Menschen unterschiedlicher Kulturkreise und Religionen so gesehen. In vielen Religionen wird Brot sogar als etwas Göttliches angesehen. Der Theologe und Arzt Angelus Silesius hat zur Bedeutung des Brotes gedichtet: „Das Brot ernährt dich nicht. Was sich im Brote speist, ist Gottes ew’ges Wort, ist Leben und ist Geist.“ Ganz neu ist der Gedanke nicht, er ist uns gerade in der ersten Lesung schon mal begegnet: „Er wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur vom Brot lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht.“ Die Rede vom „Brot des Lebens“ ist auch nicht erst eine Erfindung der Juden, sondern geht viel weiter zurück. Wenn Jesus vom „Brot des Lebens“ spricht, dann greift er ein vertrautes Bild aus der Babylonischen Gefangenschaft auf. Neu war allerdings, dass Jesus von sich selbst als „Brot des Lebens“ spricht. Dieses Brot steht heute im Mittelpunkt unseres Feierns, dieses Brot ehren wir heute in ganz besonderer Weise. Und natürlich werden wir das Brot miteinander teilen, miteinander Mahl halten. Heute erinnern wir uns dabei in besonderer Weise an das letzte Abendmahl, als Jesus das mit seinen Jüngern getan hat. Fronleichnam ist sozusagen der zweite Gründonnerstag, den wir in diesem Jahr feiern, und im Gegensatz zum ersten ein fröhlicher Gründonnerstag. Und die Gelegenheit, dem Festgeheimnis des Gründonnerstags, seiner Botschaft, in einer Form Ausdruck zu verleihen, wie sie uns am Beginn des Leidensweges Jesu so nicht möglich ist. Rufen wir uns das Geschehen des Gründonnerstags noch einmal kurz in Erinnerung. Drei Erzählstränge, die auf den ersten Blick zusammenhanglos nebeneinanderstehen, bilden letztlich doch eine Einheit in dieser großen Liebesgeschichte Gottes mit uns Menschen:
Die Fußwaschung – Modellfall des Liebesdienstes an Menschen, Ausdruck der Bereitschaft, sich zum Diener, zur Dienerin der anderen zu machen, ohne Ansehen der Person.
Das Mahl – Brot wird miteinander geteilt, Jesus und die Jünger werden Kumpane, cum – miteinander, pane – das Brot. Wer mit anderen das Brot isst, wird zum Kumpan, zum Kumpel, zum Freund, zur Freundin. Und nicht nur zwischen Jesus und den Jüngern entsteht diese Verbundenheit, auch unter den Jüngern. Das Gleiche vollzieht sich, wenn wir miteinander das Brot teilen, die Kommunion empfangen, Kommunion feiern. Wein wird miteinander geteilt. Wein ist Zeichen der Freude, des erfüllten Lebens, des Lebens in Fülle, das Gott für uns will, Dafür ist Jesus in die Welt gekommen, dafür macht er jetzt den nächsten Schritt auf sein Leiden zu, in sein Leiden hinein.
Und schon sind wir im Garten Gethsemane, in einer Situation, die wir kennen, mit all der Trauer, all der Angst. Und wie Jesus brauchen Menschen auch heute Kumpane, Kumpel, Freunde und Freundinnen, die nicht nur ihre Trauer, ihre Angst teilen, sondern das Leben teilen.
„Wenn wir das Leben teilen, wie das täglich Brot, wenn alle, die uns sehen, wissen, hier ist Gott“ singen wir in einem unserer moderneren Gotteslob-Lieder. Kann man besser beschreiben, worum es heute geht? Kann man besser besingen, warum wir gleich hinausgehen und diese kleine Scheibe Brot in der Monstranz durch die Straßen unserer Stadt tragen? Wenn wir auf sie blicken, dann erinnert sie uns daran, dass Brot teilen uns zu Kumpanen macht. Und die Menschen, die nicht, viele nicht mehr, das Brot sehen und uns sehen, in der Nachfolge dieses Brotes, was entdecken sie? Entdecken sie, dass da Menschen unterwegs sind, die nicht nur an diesem Tag vorbeigehen an ihnen, sondern nahe bei ihnen sein wollen, das Leben teilen wollen mit ihnen, teilen wollen, was ihr Leben ausmacht, alle Höhen, alle Tiefen? So konkretisiert sich, was das Zweite Vatikanische Konzil in seiner pastoralen Konstitution über die „Kirche in der Welt von heute“ gleich zu Beginn formuliert „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“ So bekommt die Liebesgeschichte Gottes mit uns Menschen auch heute Hand und Fuß. Das ist durchaus mitunter ein Kraftakt, heute wahrscheinlich mehr denn je. Aber Gott sei Dank haben wir eine Kraftquelle: das Brot, das wir miteinander teilen, und das Wort, das aus dem Mund Gottes kommt, Sakrament des Tisches und Sakrament des Wortes uns angeboten zur Nahrung, zur Stärkung für unseren Dienst. Sie zu empfangen ist Gabe und Aufgabe zugleich – Gabe, die uns trägt, und Aufgabe, diese Gabe Menschen zu bringen, die sich nach Stärkung, Ermutigung, Halt, Hoffnung, Leben sehnen. Die Aufgabe resultiert aus der Gabe, ist ihre logische Konsequenz. Ziehen wir diese Konsequenz nicht, dann höhlen wir aus, was uns an Zeichen und Ritualen gegeben ist – letztlich auch die vertraute Tradition des Fronleichnamsfestes.
Ich habe keine Angst vorm bösen Brot, aber davor, dass das passiert, habe ich Angst. Ich habe Sorge, dass wir versagen beim Projekt, die Menschen mit dem Evangelium in Begegnung zu bringen, und mehr noch vor der Konsequenz daraus: dass die Sehnsucht von Menschen unerfüllt bleibt – nach Hoffnung, Liebe, Trost, Ermutigung, nach Leben, nach einem Leben in Fülle. Das wäre dann das Ende der Liebesgeschichte Gottes mit uns Menschen. Das treibt mich um, das treibt mich aber auch an, mich immer wieder hinzustellen für das Evangelium, immer wieder hinzugehen, um mich stärken zu lassen durch das Sakrament des Wortes und des Tisches und immer wieder hinauszugehen.
Ich wünsche uns als Gemeinschaft der Christinnen und Christen die Bereitschaft, hinzugehen zu den Menschen, ihnen nahezukommen, um ihre Lebenswirklichkeit kennenzulernen.
Ich wünsche uns den Mut, uns einzulassen auf die Menschen, die uns begegnen, in ihrer Buntheit und Vielfalt, mit ihrem Glauben und ihren Zweifeln, einfach das Leben mit ihnen zu teilen, Kumpan zu sein.
Und ich wünsche uns die Erfahrung, immer wieder gestärkt zu werden, wenn wir das Wort Gottes hören und das Brot des Lebens miteinander teilen, wenn Jesus uns als Kumpan begegnet.

Maria Gleißl, Pastoralreferentin

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