„Worüber habt ihr auf dem Weg gesprochen?“

01. Nov 2023

Jesus fragt (11): Mk 9,33

Das Wichtigste an Konferenzen sind die Kaffeepausen. Wenn wir uns unbeobachtet fühlen, sagen wir, was wir wirklich denken.

„Worüber habt ihr auf dem Weg gesprochen?“

Wenn wir anderen Leuten etwas von unseren Erlebnissen erzählen, neigen wir dazu, unsere eigene Rolle möglichst vorteilhaft darzustellen. Wer sich selbst ehrlich zuhört, merkt, wie leicht wir zu Übertreibungen neigen, um uns in ein besseres Licht zu stellen. Angesichts dieser Tatsache verwundert es, wie die ersten Christen von ihrem Glaubensweg erzählten. Paulus, dessen Briefe die ältesten christlichen Schriften sind, betonte immer wieder sein eigenes Versagen und seine Unwürdigkeit. Im ältesten der Evangelien, das Markus zugeschrieben wird, erscheinen die ersten Jünger nur zu Beginn wie vorbildliche Gestalten. Doch dann stellt der Evangelist mit aller Deutlichkeit heraus, wie wenig die Jünger von Jesus verstanden hatten. Dieses Unverständnis führte schließlich dazu, Jesus im entscheidenden Moment zu verraten und im Stich zu lassen. Diese schonungslose Offenheit der ersten Christen ist eine Einladung an uns. Wir sollen davor bewahrt werden, uns unbesorgt für „gute Christen“ zu halten und uns auf unseren „richtigen Glauben“ etwas einzubilden. Schaut genauer hin!, sagen uns die biblischen Schriften. Auch ihr habt Jesu Botschaft noch längst nicht verstanden. Auch euer Glaube bleibt an der Oberfläche und taugt nicht, wenn es in eurem Leben hart auf hart kommt.

Die Kapitel 8 bis 10 bilden das Zentrum des Markusevangeliums. Darin werden zentrale Themen des christlichen Lebens angesprochen. Eine innere Gliederung erfolgt durch drei Szenen, in denen Jesus seinen Jüngern in aller Offenheit seinen eigenen Weg zu erklären versuchte. „Dann begann er, sie darüber zu belehren: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. Und er redete mit Freimut darüber.“ (Mk 8,31f – vgl. ähnlich Mk 9,31 und Mk 10,33f). Auf jede dieser Leidensankündigungen reagierten die Jünger mit Unverständnis. Beim ersten Mal nahm Petrus Jesu beiseite und „begann, ihn zurechtzuweisen“ (Mk 9,32). Beim zweiten Mal zeigt sich das Nichtverstehen im Verstummen. „Sie verstanden das Wort nicht, fürchteten sich jedoch, ihn zu fragen.“ (Mk 9,32). Beim dritten Mal kamen unmittelbar nach der Ankündigung, dass Jesus leiden und sterben würde, zwei Jünger zu ihm und baten darum, Jesus möge ihnen beim Beginn seiner Herrschaft die Plätze an seiner Seite zuteilen.

Jesus hatte die Jünger gerufen, um ihnen Anteil an seiner Sendung zu geben – doch diese Sendung war anders, als sie sich das vorgestellt hatten. Auch an uns ist dieser Ruf ergangen. Die Reaktion der Jünger auf Jesu Worte zeigt drei Weisen, seine Botschaft in das Gegenteil zu verkehren: Wie Petrus wollen wir Jesus korrigieren. Wie die Jünger sind wir nicht bereit, uns von ihm belehren zu lassen. Und wie bei ihnen ist unser eigenes Streben auf Erfolg und Anerkennung durch andere ausgerichtet. Deshalb machen uns Jesu Worte von Leid und Tod Angst. Deshalb weigern wir uns, ihm richtig zuzuhören.

Jesus wusste um das Nichtverstehen seiner Jünger. Er blieb ihnen trotzdem treu. Er nutzte jede Gelegenheit, ihnen ihre verkehrte Geisteshaltung bewusst zu machen, um ihnen das rechte Verständnis für seinen Weg zu ermöglichen. Als er zum zweiten Mal über sein Leiden und Sterben sprach, waren die Jünger stumm geblieben. Statt ihn um Unterweisung zu bitten, hatten sie ihn alleine vorangehen lassen und diskutierten nur unter sich. Obwohl Jesus ihre Reden nicht hören konnte, wusste er genau, was in ihnen vorging. „Sie kamen nach Kafarnaum. Als er dann im Haus war, fragte er sie: Worüber habt ihr auf dem Weg gesprochen? Sie schwiegen, denn sie hatten auf dem Weg miteinander darüber gesprochen, wer der Größte sei.“ (Mk 9,33f) Ihr Schweigen zeigt deutlich, dass sie sich durch Jesu Frage ertappt fühlten.

Worüber reden wir in unseren kirchlichen Kreisen? Vielleicht wäre es wichtiger, die Gespräche bei den Kaffeepausen zu dokumentieren, statt bedeutende Dokumente über die Reform der Kirche zu publizieren. Geht es uns bei unseren Reformversuchen wirklich darum, Jesus auf seinem Weg der Hingabe und des Dienstes zu folgen? Oder geht es auch uns um die besten Plätze? Es wäre nur zu verständlich, schon den ersten Christen ging es so. Das Markusevangelium lädt auch uns zu Gewissenserforschung und Umkehr ein. Wer Jesus nicht richtig zuhört, dessen Handeln wird fruchtlos bleiben, selbst wenn er das richtige Credo bekennt (so wie Petrus, vgl. Mk 8,29). Dem wird es ergehen wie den ersten Jüngern, die unfähig waren, einem leidenden Kind zu helfen (vgl. Mk 9,14-29). Mehr noch: Wir werden wie die ersten Jünger vor dem Leiden davonzulaufen versuchen. Die gute Botschaft ist aber: Auch wenn wir versagen, Jesus lässt uns niemals im Stich. Er hört nicht auf, um unser Verstehen zu werben. Er widerruft nicht den Auftrag, seine Sendung fortzusetzen.

Ralf Huning SVD

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