„Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben verlängern?“

01. Jul 2023

Jesus fragt (7): Mt 6,27

Es heißt, ein Mensch würde jeden Tag etwa 60.000 Gedanken haben. Die meisten davon sind jedoch Wiederholungen. Immer wieder kreisen wir um etwas, was uns Sorge macht.

„Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben verlängern?“

Gehen Sie auch gerne hinaus in die Natur? Vielleicht haben Sie dann Lust auf eine kleine Übung. Machen Sie einen kleinen Waldspaziergang und bleiben nach einigen Minuten stehen. Fragen Sie sich dann, was Sie von dem Weg erinnern, den Sie gerade zurückgelegt haben. An welchen Bäumen sind sie vorbei gegangen? Waren sie hoch oder niedrig? Gab es kranke Bäume oder Totholz? Welchen Tieren sind Sie begegnet? Was für Geräusche haben Sie wahrgenommen? Sie werden bei einer solchen Übung wahrscheinlich merken, dass Sie oft wie von einem Autopiloten gesteuert Ihre Wege gehen. Sie sind zwar in der „schönen Natur“, doch Ihre Aufmerksamkeit ist meist bei vielen Gedanken, die Ihnen durch den Kopf gehen. Häufig sind es sorgenvolle oder ängstliche Gedanken. Habe ich noch genug Nudeln im Schrank? Reichen die Getränke noch, die wir im Keller haben? In dem alten Kleid kann ich mich an der Arbeitsstelle nicht mehr sehen lassen!

Den Jüngern Jesu ging es nicht anders. Die Sorge um Essen und Trinken, um Kleidung und Hausrat beanspruchte ihre ganze Aufmerksamkeit. Was sie mit den Augen sahen, beurteilten sie gleich danach, ob es für die Lösung ihrer Probleme nützlich sein könnte. Bei Jesus war das offensichtlich anders. Bei den gemeinsamen Wanderungen war er ganz aufmerksam für Pflanzen und Tiere. Die Feldblumen bezeichnete er wertschätzend als „Lilien des Feldes“, während sie für seine Jünger nur Gras waren, „das heute auf dem Feld steht und morgen in den Ofen geworfen wird“ (Mt 6,28.30). Wer aber keine Augen hat für die Schönheit der Schöpfung, wird darin auch keine Mitteilung Gottes erkennen können. Haben die Jünger wirklich verstanden, wovon Jesus sprach, wenn er sie auf die Spatzen aufmerksam machte? Diese Vögel waren für die Leute damals eine einzige Landplage, bestenfalls gut für einen kleinen Imbiss. Viel Geld konnte man nicht damit verdienen, wenn man sie einfing und auf dem Markt verkaufte (vgl. Lk 12,6). Jesus hatte eine andere Sicht der Dinge.

Neben den Sorgen des Alltags sind es vor allem Emotionen und Gefühlsregungen, die unsre Wahrnehmung beeinflussen. In den Evangelien finden wir dafür viele Beispiele. Wo Angst (Mk 4,40; Lk 24,37), Trauer (Joh 20,11-15), Bestürzung, Zweifel, aber auch übergroße Freude (Lk 24,38.41) Menschen beherrschen, kann Gottes Nähe nicht wahrgenommen werden.

Lasst eure sorgenvollen Gedanken los!, ermahnte Jesus immer wieder seine Jünger. „Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen oder trinken sollt, noch um euren Leib, was ihr anziehen sollt! Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?“ (Mt 6,25). Wir Menschen haben von Gott die Gabe des Denkens erhalten. Warum aber kreisen unsere Gedanken ständig um unsere lächerlichen Sorgen? Eine liebevolle Aufmerksamkeit für Tiere und Pflanzen kann uns zu einer neuen Sicht verhelfen. „Seht euch die Vögel des Himmels an“, lädt uns Jesus ein. „Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Spanne verlängern? Und was sorgt ihr euch um eure Kleidung? Lernt von den Lilien des Feldes, wie sie wachsen.“ (Mt 6,26-28). Jesus ermutigt uns zu einer anderen Lebenshaltung: „Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn nach alldem streben die Heiden. Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht. Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben. Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug an seiner eigenen Plage.“ (Mt 6, 31-33)

Sich Sorgen zu machen ist allzu menschlich. Aus Vertrauen in Gottes Fürsorge zu leben, ist christlich. Wer achtsam wird für die Wunder der Schöpfung, kann darin Hinweise auf die Liebe Gottes entdecken. Das Vertrauen in Gott kann aber nur wachsen, wenn wir uns innerlich neu ausrichten. Im Heute sollen wir leben, sagt uns Jesus. Und auf „Gottes Reich und seine Gerechtigkeit“ soll unsere Aufmerksamkeit gerichtet sein. Also auf Liebe, Lebendigkeit, Frieden. Wenn wir das im Fokus haben, werden viele unserer Alltags-Sorgen völlig unbedeutend.

Ralf Huning SVD

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