Rebellion der Völker

01. Feb 2024

Psalm 2

Mit Psalm 2 betet sich der Israelit von seiner Verzweiflung an der Weltlage in eine biblische Sicht auf die Welt hinein.

Rebellion der Völker

Psalm 2

1 Warum toben die Völker,
warum ersinnen die Nationen nichtige Pläne?
2 Die Könige der Erde stehen auf,
die Großen tun sich zusammen
gegen den HERRN und seinen Gesalbten:
3 Lasst uns ihre Fesseln zerreißen
und von uns werfen ihre Stricke!

4 Er, der im Himmel thront, lacht,
der HERR verspottet sie.
5 Dann spricht er in seinem Zorn zu ihnen,
in seinem Grimm wird er sie erschrecken:
6 Ich selber habe meinen König eingesetzt
auf Zion, meinem heiligen Berg.

7 Den Beschluss des HERRN will ich kundtun.
Er sprach zu mir: Mein Sohn bist du.
Ich selber habe dich heute gezeugt.
8 Fordere von mir und ich gebe dir die Völker zum Erbe
und zum Eigentum die Enden der Erde.
9 Du wirst sie zerschlagen mit eisernem Stab,
wie Krüge aus Ton wirst du sie zertrümmern.

Die 1. Strophe redet vom Säbel-Rasseln der Völker, von der Allianz ihrer Könige. Sie schmieden den Plan, vom Gott Israels und dessen irdischem König abzufallen. Sie wollen die Fesseln und Ketten, mit denen sie an Händen und Füßen gebunden und gefangen gehalten sind, abstreifen, ein für allemal loswerden. Die anfänglichen Warum-Fragen und die Formulierung „nichtige Pläne“ deuten an, dass das Vorhaben aussichtslos ist.
(Lesen wir – trotz der Fremdheit, die uns anmutet, – ruhig weiter!)

Nachdem die 1. Strophe auf Erden gespielt hat, spielt die zweite im Himmel. Dort sitzt Gott auf seinem gesicherten, unerschütterlichen Thron und hält sich den Bauch vor Lachen ob solcher aussichtsloser Umsturzpläne. Dann aber schlägt sein Spott- und Hohn-Lachen denn doch um in Zorn und Grimm. Er selber hat seinen Gesalbten eingesetzt auf dem Zion, seinem heiligen Berg, – wie können sie es wagen, sich ihm zu widersetzen?!

Die 3. Strophe spielt auf dem Zion und ist Rede des Messias an die aufbegehrenden Erdenkönige, wobei er wiederum Gottesrede zitiert. Der Zionskönig knüpft an Vers 6 an: Er wurde mit Worten Gottes inthronisiert, die ihn zum „Sohn“ machten, ihm also göttliche Machtfülle verliehen. Es bedarf nur eines Wortes von ihm, und er erhält von Gott die Herrschaft über alle Völker, die sich gegen ihn erheben. Er wird jeden Putschversuch mit eisernem Zepter im Nu zerschlagen.

Der Psalm enthält noch eine 4. Strophe, doch lasse ich die jetzt weg. Was soll das Ganze? Hier mutet uns alles fremd an: Könige in Fesseln, die sie abstreifen wollen, indem sie sich im Aufstand gegen Gott und seinen Christus zusammenschließen; ein hohnlachender und ergrimmender Gott; ein Christus, von Gott eingesetzt, um die Rebellion gewaltsam zu zerschlagen – geht’s noch?? Und: Was ist daran Gebet? Keine einzige Anrede Gottes, stattdessen Bilder und Rhetorik des Kriegs!

Hier hilft uns nur weiter, wenn wir uns in die damalige Zeit und Kultur hineinversetzen. In der so reichen Bilderwelt des Alten Orients war eines der beliebtesten (!) Motive das Bild vom „schlagenden Gott“ und „schlagenden König“ (als dem Stellvertreter Gottes auf Erden). Dieses Motiv war gleichsam allgegenwärtig. Es taucht in allen Ländern, über alle Jahrhunderte, als Plastik, Relief, Siegelbild, immer wieder auf. Die Gottes- bzw. Königsfigur macht einen Ausfallschritt, mit ihrer Linken packt sie einen vor ihr knieenden Feind am Schopf, in ihrer erhobenen Rechten schwingt sie eine Keule, zum Schlag ausholend, der dem Feind den Schädel zertrümmert. Für uns steckt dieses Bild voller Gewalt, für die Altorientalen war das ein Bild voller Hoffnung. Der Feind symbolisiert nämlich das Chaos, während die Gottheit und ihr Repräsentant auf Erden den Kosmos, die geordnete Welt, symbolisiert. Das Bild hatte quasi „sakramentale“ Kraft, es sollte bewirken, was es darstellt: Kosmos besiegt und bezwingt Chaos.

Dieses Bild hat Israel aus der Umwelt übernommen – mitsamt seiner durch und durch positiven Konnotation. Obwohl es Gewalt geradezu verherrlicht, ist es gefühlsmäßig positiv besetzt. Die Gottheit und der König halten die Weltordnung aufrecht – gegen alle zerstörerischen Kräfte (Naturkatastrophen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit).

In Israel aber wird das Bild subversiv gebraucht. Die Könige, die in der Umwelt durch das Motiv legitimiert werden, werden in Ps 2 zu Rebellen und Chaosstiftern. Zum Garanten für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung wird allein der Gott Israels und sein Christus gemacht.

Der Psalm geht aus von einem Idealzustand oder Soll-Zustand: der universalen Gottesherrschaft. Die 1. Strophe schildert den Ist-Zustand der Welt, die im Zeichen der Rebellion der Erdenkönige und der Völker steht. Sie wollen das „Joch des Reiches Gottes“, die Tora, abstreifen. Die 2. Strophe versetzt in Gott: Einerseits „kratzt“ ihn das nicht, weil ihm die Herrschaft über das Weltgeschehen nicht entrissen werden kann, andererseits „erzürnt“ ihn das zutiefst, weil er Unrecht nicht mitansehen kann. Die 3. Strophe spricht von Christus, der jeden Widerstand gegen Gott bricht.

Ist das ein Gebet? Es ist der Anfang biblischen Betens, weil der Beter von seiner Verzweiflung an der Weltlage in die rechte Weltsicht hineingeführt wird: die Staaten XY nicht als Friedensstifter, sondern als Kriegstreiber; Gott – nicht als Ohnmächtiger, sondern als Herr des Geschehens gegen allen Augenschein; sein Christus – als einzig legitimer „Stellvertreter Gottes auf Erden“; „Zion“ – selbst Opfer, das unter die Räder der Weltgeschichte gekommen ist, als Ort, von dem die Tora und die Gottesherrschaft ausgeht. So – innerlich korrigiert und nun richtig disponiert – kann der Beter sprechen: „Dein Reich komme!“

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