Der Ordensmann mit der Kamera

28. Jul 2015

Der 1991 verstorbene Steyler Missionar Pater Paul Erdmann flüchtet 1940 vor den Nazis in die Schweiz. Im Wallis findet er Aufnahme - und beginnt zu fotografieren. Eine Ausstellung in der Festung in Naters.

Fein gekleidete Sommergäste
Fein gekleidete Sommergäste

Der Steyler Missionar ist 42 Jahre alt, als er unter abenteuerlichen Umständen aus Deutschland flüchtet, um der Gestapo zu entgehen. Im Wallis findet er Aufnahme und wird als „Bergkaplan“ in Blatten ob Naters eine bekannte und beliebte Figur. Pater Paul Erdmann hat dieses Amt bis 1981 versehen.


70 ausgewählte Farbbilder

Schon bald nach seiner Ankunft beginnt er zu fotografieren. Er ist einer der frühen Hobbyfotografen, die bereits Diafarbfilme ergattern und während und nach dem Krieg Szenen von dokumentarischem Wert festhalten. Werner Bellwald, Kurator in der La Caverna in der Festung, schreibt im Ausstellungsflyer: „Die 70 aus 1500 Dias ausgewählten Farbbilder zeigen einerseits die zaghaft Einzug haltende Moderne, andererseits die <alte Welt>.“ Zu sehen sind etwa der Lastwagen für den Holztransport am Simplon, gedeckte Tische im Speisesaal, die russige Alphütte, Handwerker und fein gekleidete Sommergäste. Bellwald: „Es ist der fotografische Blick eines <Asylanten>, dem ein Stück Oberwallis neue Heimat wurde und gleichzeitig exotisch erschien.“ 

Pater Paul Erdmann
Pater Paul Erdmann

1929 zum Priester geweiht

Pater Paul Erdmann kommt in Haan bei Düsseldorf zur Welt. Er ist das jüngste von zwölf Geschwistern. Er erlernt den Beruf des Kaufmanns. Schon als 22-Jähriger tritt er jedoch in den Orden der Steyler Missionare ein und wird 1929 zum Priester geweiht.

Da Pater Erdmann an Knochentuberkulose leidet, lässt man ihn nicht nach Neuguinea in die Mission ziehen. Vielmehr macht sich die Ordensleitung an ihrem Hauptsitz in Steyl die Fähigkeiten des einstigen Kaufmanns zunutze: Er restrukturiert die Vermögens- und Finanzverwaltung sowie die Druckerei. 

Doch schon in den Sommerferien 1930 darf Pater Erdmann auf Erholung in die Schweiz, wo die Steyler Missionare in Blatten ob Naters ein Erholungsheim gebaut haben, das Theresianum. In den folgenden zehn Jahren ist Pater Erdmann jeden Sommer einige Wochen in den verschiedenen Weilern des Natischer Berges anzutreffen.

Flucht vor der Gestapo

1940 flüchtet er vor der Gestapo ins ihm bereits bekannte Wallis. Er bleibt ein volles Jahrzehnt, das er mit Arbeit füllt: Als Seelsorger und als Lehrer in Eggerberg, in Steg, in Gondo/Zwischbergen (hier verleiht man ihm das Burgerrecht) und in Blatten ob Naters.

1951 rufen die Steyler Missionare Pater Erdmann zurück nach Steyl. Bekannte Aufgaben warten: Finanzen und Druckerei. 1961 bis 1967 wird er ins Ordensgeneralat nach Rom berufen - nur ungern lässt er „seine“ Druckerei zurück. In all diesen Jahren aber kann er einige Sommerwochen in Blatten ob Naters verbringen.

Kaplan in Blatten

1967 darf der Ordensmann definitiv ins Wallis zurückkehren. Er wird Kaplan in Blatten - und kraxelt als 70-Jähriger aufs Dach der Kapelle Lüsgen, das er mit Schindeln deckt. 48000 Mal, so errechnet der humorvolle Geistliche, schwingt er für diese Neubedachung den Hammer.

Gesundheitliche Probleme zwingen den 83-Jährigen 1981, sein geliebtes Blatten zu verlassen. Die letzten zehn Jahre seines Lebens verbringt Pater Erdmann in der Alterssiedlung „Sancta Maria“ in Naters. Hier wirkt er als Hausgeistlicher. 1989 feiert der 91-Jährige sein diamantenes Priesterjubiläum. Am 18. Januar 1991 stirbt Pater Erdmann und wird in Naters beerdigt.

Die russige Alphütte
Die russige Alphütte
Beim Pfeifenrauchen...
Beim Pfeifenrauchen...

Bis Ende Dezember geöffnet

Die Ausstellung „Neue Heimat Naters“ mit Bildern aus den 1940er-, 1950er- und 1960er-Jahren ist bis Ende Dezember geöffnet (zusammen mit Führungen im Simplonfestungs- und Gardemuseum). Auf Wunsch sind auch separate Führungen durch die Erdmann-Ausstellung möglich. Anmeldung: nfbrg-smplnch

Bis Ende Oktober ist die Fotoausstellung zusätzlich jeden Samstag von 14 bis 18 Uhr geöffnet (Anmeldung nicht nötig). Ein Film von Stephan Hermann, Susten / Bern, mit Eindrücken zum Fotografen ergänzt die Ausstellung. Der Eintritt ist frei.


Aufruf 

Wer Pater Paul Erdmann persönlich gekannt hat und Näheres über seine abenteuerliche Flucht aus Hitlerdeutschland zu erzählen weiss, aber auch darüber, wie er zur Fotografie kam, ist herzlich eingeladen, sich bei Werner Bellwald zu melden (Email). Vielen Dank!


Holztransport am Simplon
Holztransport am Simplon
Xaver Schorno

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