Ghana
«Orthopedic Training Centre» (OTC). Das klingt nach Technik. Dabei geht es hier um das Leben – und vor allem um das Leben von Kindern. Das OTC unterstützt sie dabei, so gut wie möglich ohne Einschränkung leben zu können. Was der Steyler Bruder Tarcisius de Ruyter 1961 begann, führt heute Schwester Elizabeth mit ihrem Team weiter.

Seit 1961 kümmert sich das OTC um Erwachsene und Kinder, die Operationen, orthopädische Hilfsmittel und Therapie benötigen. Auch damals verursachte in Ghana ein Virus viel Leid: das Polio-Virus verursachte Kinderlähmung und damit einen Grossteil der körperlichen Einschränkungen, die hier behandelt wurden. Gegründet hat das Zentrum der Steyler Bruder Tarcisius de Ruyter, der aus einer Schuhmacher-Familie stammte und eine orthopädische Fachausbildung absolviert hatte. 13 Jahre später war Schwester Elizabeth eine der fünf ersten Schwestern der «School sisters of Notre Dame» (SSND), die damals ins Land kamen. Ein Jahr hat sie in einer Schule gegenüber vom OTC unterrichtet, das sie immer wieder besuchte. Ihr Vater war ein Kriegsversehrter, so dass sie den Umgang mit Behinderungen schon kannte. Und so wurde sie zunächst Co-Leiterin, später Nachfolgerin von Bruder Tarcisius, von dem sie bis heute mit grosser Hochachtung spricht.
Klinik, Werkstatt und College
Lange Zeit bestand das OTC aus orthopädischer Klinik und Werkstatt – in der fast 90 Prozent der orthopädischen Hilfsmittel für ganz Ghana gefertigt wurden –, einer Kinderabteilung und einer mobilen Einheit. Ein Jahr vor dem Tod des Gründers wurde ausserdem ein College zur Ausbildung von Prothesen- und Orthopädie-Spezialisten eröffnet. «Wir müssen unsere Mitarbeitenden in Technik und Physiotherapie ständig auf den neusten Stand bringen, zum Teil müssen sie in Wochenendkursen Abschlüsse erlangen, die seit neustem gefordert sind», sagt dazu Schwester Elizabeth Newman.
Im Mittelpunkt ihrer Sorge stehen ganz grundsätzlich alle Kinder, die Unterstützung brauchen – egal, was ihnen fehlt. So hat das OTC vor ein paar Jahren in der Nachbarschaft auch noch eine Tagesstätte für cerebral gelähmte Kinder eingerichtet – nachdem Schwester Elizabeth und ihre Mitarbeitenden festgestellt hatten, dass diese Kinder zuhause eingesperrt lebten. Sie korrigiert jedoch gleich ein mögliches Vorurteil: «Es ist nicht so, dass die Eltern sich hier nicht um ihre Kinder kümmern. Es ist die Armut, die sie daran hindert, das zu tun.» Und das OTC setzt alles daran, dass nötige Operationen, Hilfen und anschliessend eine gute Bildung jedem Kind zugutekommen. Egal, ob sich seine Familie das leisten kann oder nicht – ganz getreu dem Motto des Gründers und seiner Institution: «Alle Kinder sind Gottes Geschenke». Diese Botschaft ist wichtig, gelten doch Kinder mit Einschränkungen in manchen Gegenden Ghanas immer noch als «Spirit Children» («Geisterkinder»), als «Fluch» oder «Bestrafung» Gottes oder böser Dämonen. Sie werden dann abgelehnt, vernachlässigt, versteckt oder gar getötet – und die Eltern haben Angst, mit einem solchen Kind zurück in ihr Dorf zu gehen.
Station in Walewale
Seit 2024 verfügt das OTC auch über eine «Niederlassung» in Walewale im Norden des Landes. Es wird geführt von Werkstatt-Technikern und einem Buchhalter, die vorher am OTC-Stammsitz tätig waren. Bis Ende 2024 wurden in Walewale schon 866 Patientinnen und Patienten behandelt. Mit dieser neuen Station können die Dienstleistungen des OTC näher am Zuhause vieler Patientinnen und Patienten erbringen. Die Physiotherapeuten, Lehrer und Hausmütter, so heisst es im neusten Jahresbericht, helfen weiterhin jedem Kind, sein Potenzial zu entfalten.
Normalerweise wird ein Kind mit Einschränkungen entweder von den Eltern oder Lehrern in die Ambulanz oder zur mobilen Einheit gebracht. Oft können gleich vor Ort eine Schiene, ein Korsett oder Krücken angefertigt werden. Ist eine Operation nötig, so überweist das OTC an ein Krankenhaus. Anschliessend kommen die Kinder zurück zum OTC, erhalten Beinschienen, Prothesen oder orthopädische Schuhe und beginnen mit Therapie und Training. Die meisten kehren nach drei bis sechs Monaten nach Hause zurück.